Sara | Wien

Ich studiere Jazz Saxophon im Master. Zurzeit arbeite ich an meiner Masterarbeit, für die ich eine CD mit meinen eigenen Kreationen aufnehme. Mein Thema ist das Kommunizieren der persönlichen Vielseitigkeit, weshalb ich sehr viele unterschiedliche Musikrichtungen zusammenführe. Und dies in Form von Solos, Duos, Quintets, Big Band Arrangements und mit unterschiedlichen Instrumenten. Wenn ich komponiere, setze ich mich ans Klavier und gehe einer Melodie nach, die mir im Kopf rumschwirrt. Ich probiere und probiere und manchmal entsteht daraus etwas und manchmal nicht. Wenn etwas entsteht, versuche ich, eine Struktur hineinzubringen, durch Chorus, Refrain, Strophe und so weiter. Wenn es gut läuft, kann das 15 Minuten dauern, wenn schlecht, Ewigkeiten.

Mein Lieblingssong auf dem neuen Album ist „One for Peti”, den ich für meinen Bruder geschrieben habe. Zuerst hatte ich einen Einfall für die Akkorde. Zwei Moll Akkorde. Dann kam mir die Melodie. Warum für meinen Bruder? Weil er cool und sportlich ist, genau wie die Melodie. Ein Song über mich, wäre vermutlich kompliziert und chaotisch. Eine Sonaten Form mit Exposition, Durchführung, Reprise und Coda.. Ich hätte erst gesagt, einen Song über sich selbst zu schreiben wäre egozentrisch, aber Maler fertigen doch auch immer Selbstportraits? Dabei würde es ja mehr ums Studieninteresse gehen und es hängt auch davon ab, ob man objektiv, selbstkritisch oder subjektiv, selbsterhöhend vorgeht.

Wenn ich komponiere setze ich mich hin, ‘fliege’ los und lasse alles andere hinter mir. Mit einem Ton beginnen und über nichts anderes nachdenken. Die besten Einfälle kommen aus dem Nichts. Hinter dem Nichts steht natürlich bei den meisten Musikern sehr viel Fleiß, Arbeit und Leidenschaft. Die Einfälle der größten Komponistinnen und Komponisten kamen, nicht wie oftmals behauptet vom Himmel, sondern sind das Ergebnis aus Genie, harter Arbeit und Weiterentwicklung bereits Vorhandenen.

Was wolltest du als Kind werden?

Ich wollte Anwältin werden, da meine Tante als Anwältin sehr viel Geld verdient hat. Dann bin aber ich in eine Musikschule gekommen und alles hat sich geändert. Ich habe erst Blockflöte gespielt, mit 11, dann Klarinette und mit 16 Saxophon.  Mit der Zeit ist mir klar geworden, dass Musik etwas ist, was ich gut kann. Nur Sprachen lernen fällt mir noch leicht. Aber Übersetzerin? Das klang nicht sehr spannend. Mit sechs Jahren stand ich  zum ersten Mal mit der Blockflöte auf der Bühne und das hat mich überzeugt. Konzerte sind seitdem die Highlights in meinem Leben. Mit dem Saxophon kam der Jazz in mein Leben. Das hat mir eine neue Welt eröffnet. Vor allem die Improvisation hat es mir angetan. Jazz ist so vielseitig und es gibt so viel zu lernen, dass es mir bis 99 nicht langweilig wird. Klassik war mir etwas zu begrenzt. Natürlich ändert sich in der Klassik mittlerweile viel und sie wird stark modernisiert. Die afroamerikanische Basis von Jazz bringt aber diesen Groove, der einen magisch mitreißt – mich zumindest

Bringt Jazz ein anderes Lebensgefühl mit sich?

Ich mag generell Regeln nicht so gerne. Als Kind kam ich immer zu spät zum Unterricht. Noten lesen mag ich auch nicht so gerne. Ich habe mich immer gefragt, wo bin ich hier präsentiert? Klar, kann ich was Eigenes interpretieren oder komponieren, aber es wird alles aufgeschrieben und festgezurrt. Im Jazz gibt es ebenfalls unterstützende Akkordsymbole, aber auch wenn wir keins dabei haben, sind wir in der Lage, mit offenen Ohren unseren Mitmusizierenden zuzuhören und im Moment zu interagieren.

 

Wie frei ist Jazz?

Theoretisch gibt es genauso viele Strukturen zu befolgen. Zudem ist Improvisieren viel Nachdenken. Du musst herausfinden, was am besten klingt – anders gesagt, muss man beim Musizieren gleichzeitig Komponieren. Ich möchte etwas übermitteln, was Sinn macht, und der Intuition folgt die Komposition, also die Struktur. Viele versuchen – ich bin noch nicht so überzeugt –  die Regeln komplett zu brechen und weit weg von Strukturen zu kommen. Kein Head, kein Thema, kein Chorus, keine Strophe.

In was für einer Bubble lebst du?

Ich lebe in einer Künstler- und interkulturellen Bubble. Da ich fünf Sprachen spreche, wird immer mal eine andere gesprochen. Uns ist durchaus bewusst, dass wir uns in einer Bubble bewegen. Wir stehen alle spät auf und gehen alle spät ins Bett. Am wichtigsten sind in unserer Bubble Nettigkeit,Vertrauen und gegenseitige Hilfe. Wie in einer großen Familie.

Was hat dich in letzter Zeit traurig gemacht?

Der Krieg macht mich sehr traurig; sowie triviale Alltagssituationen, wenn sich Menschen vor diesem Hintergrund beschweren, dass die U-Bahn zwei Minuten zu spät ist. Natürlich kann man sich nicht das ganze Elend der Welt rund um die Uhr vor Augen führen, aber dennoch haben Menschen die Pflicht, sich über ihre Welt und was darin vorgeht zu informieren und eine ‚social awareness‘ zu entwickeln.

Was ist dein Motto fürs Leben?

Was immer in den öffentlichen Toiletten steht: Bitte verlassen Sie diesen Ort so, wie Sie ihn vorzufinden wünschen.



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