Boris Makarucha

Ich bin Boris Makarucha, Modedesigner in Weimar. Ich nähe alles auf Maß und fertige limitierte Kollektionen. Ich war sehr unzufrieden damit was die großen Firmen in der Produktion herstellen. Die Sachen passen mir nicht. Die Hosengrößen waren sehr miserabel und da habe ich gesagt, ich muss mal was ändern. Erst war es ein Hobby und jetzt ist es mein Beruf. Im Jahr 2004 habe ich angefangen, um die 20 Jahre war ich alt.

Mein Vater hat selbst genäht und ich habe mich immer daran gefreut, an der Nähmaschine die Nadeln kaputt zu machen. Das war mir schon in die Wiege gelegt. Ich habe bereits als Kind mitgeholfen. Bei Umänderungen, bei Kürzungen. Meist bei Hosen.  Es war auf jeden Fall sehr interessant an der Nähmaschine, aber dann gab es die Nähmaschinen von meinem Vater nicht mehr und dann bin ich darauf gekommen, dass ich meine Sachen selber nähen möchte. Ich habe mir eine Haushaltsnähmaschine gekauft, habe selber T-Shirts hergestellt und probiert, sie an den Mann zu bringen. Mein erstes T-Shirt habe ich tatsächlich noch zuhause liegen. Mein Zweites habe ich einem guten Kumpel geschenkt. Das hat er heute auch noch. Das ist auf jeden Fall eine kranke Kollektion gewesen.

Woher kam die Inspiration?
Ich bin auch noch Maler, da habe ich auch mit Farben gearbeitet und habe irgendwann angefangen weiße T-Shirts  mit Farben anzupinseln. Das ist halt so im Kopf gewesen. Auch die Musik, die ich zu der Zeit gehört habe, ist auch schon sehr extrem gewesen. Von Depeche Mode bis Marilyn Manson, David Bowie, the Clash. Wenn ich Marilyn Manson höre, dann kommt da halt was anderes raus als wenn ich jetzt David Bowie höre. Laut muss sie sein!

Wenn ein anderer Designer das gleiche Lied hört, ist das Resultat dann ähnlich
Nein, jeder Mensch nimmt die Musik anders auf! Bei mir ist das so, dass da schon viele kreative Sachen los sind, wenn ich Musik höre.

Was beeinflusst dich sonst noch?
Der Lebenswandel wirkt sich auf meine Mode aus. Ich schau selten zurück, immer nur vorwärts. Anders kann man es nicht machen, ändern kann man sowieso nichts. Die Musik, die ich vor zwei Jahren gehört habe, ist eng mit der Kollektion von damals verbunden. Wenn ich die gleiche Musik jetzt höre, würde eine komplett andere Kollektion entstehen. Wir werden alle älter und reifer. Die Menschen beeinflussen mich auch. Ich beobachte gerne was die Menschen so anhaben. Eine Person, denke ich mir manchmal, könnte ein tolles Kleid anziehen und würde dann viel besser aussehen. Kleider machen Leute! Das war immer schon so.
Für meine Mode war mir immer „Made in Germany“ wichtig. 20 Euro teurer. 100% Baumwolle, 100% Seide, 100% Leder, 100% „Made in Germany“ – 100% Boris Makarucha.

Können Menschen sich durch die Mode verändern, die sie tragen?
Natürlich! Wenn du jetzt einen Anzug anziehen würdest, würdest du anders dasitzen als jetzt.

Das Outfit was du gerade anhast, was sagt das über dich aus?
Ich bin halt ein Designer. Ich kann dir nichts erklären, wie es auf Außenstehende wirkt. Viele sagen, ich bin arrogant, aber das stimmt nicht, wie du bestimmt gemerkt hast.
Mein Outfit, was ich gerade anhabe, fühlt sich erleichternd an, denn es gehört zu meiner neuen Kollektion „Thank your for nothing“, die jetzt im Dezember erscheint. Wenn ich jetzt ein anderes Hemd anhabe, denke ich zurück, wann es hergestellt wurde. Das macht dann beim Menschen komplett was anderes aus, der es auch selbst hergestellt hat. Die neue Kollektion ist durch eine Trennungsgeschichte und schwierige Zeiten geprägt. Die Zeit war sehr traurig und dies musste umgesetzt werden, von der Traurigkeit in die Produktion. Neben Trauer, Frust und Ärger hat sich auch das Gefühl des Neuanfangs auf die Kollektion ausgewirkt. Wenn ich heute noch mit der Dame zusammen wäre, würde die Kollektion gar nicht da sein. Ich musste wieder kreativ und produktiv werden.

Wie würdest du den Modegeschmack der Weimarer beschreiben?
Der eine steht komplett auf Bio-Sachen, der andere steht komplett auf Jogginghosen. Das muss halt jeder selbst wissen. Viele ziehen sich miserabel an.

Was macht gute Mode aus?
Ich kanns dir nicht sagen! Ein guter Stil ist ein Smoking. Wenn man Rückenschmerzen hat, muss man sich nur einen Smoking anziehen und ins Theater oder ins Residenz Café gehen. Kleider machen Leute. Mit einem Anzug steht man immer gerade da. Immer zu einer Nummer kleiner greifen!

Hältst du es mit der Jogginghose wie Karl Lagerfeld?
Es ist halt die neue Jugendzeit. Die Jugendlichen tragen halt Jogginghosen, aber Mode kommt halt immer wieder. Die hat man in den 90er Jahren auch schon mal getragen. Meine Kollektion mit dem Chlor, die gab es auch schon mal in den 80er und 90ern.

Deine aktuelle Kollektion beinhaltet keinen Smoking. Trifft sie dennoch den guten Stil?
Natürlich. Es muss halt einzigartig und limitiert sein, dann ist es auch vergleichbar mit einem Anzug.
Ein Anzug bringt einen auf Wolke 7. Einzigartigkeit ist wichtig in der Mode. Es muss es immer alles einmal geben, einmal auf Maß oder auch mehrmals. Jeder Mensch ist limitiert, warum sollte er nicht limitierte Sachen tragen?

Ist Dir Ästhetik immer wichtig?
Manchmal ist es auch egal. Dann kommen dann richtig abgefahrene Sachen raus, wo man dann sagt, die kann man nicht anziehen. Es gehört aber dazu verrückte Sachen herzustellen. Das gehört zu Fashion dazu. Mode muss man tragen. Was wir heute hergestellt haben ist morgen out. Was auf dem Laufsteg getragen wird, wird gehandelt und nicht mehr getragen. Viele Menschen zahlen mehrere Zehntausende und es hängt dann zuhause im Kleiderschrank.

Welchen Mehrwert hat Mode, wenn sie nur Geldanlage ist?
Es kommt von dem Menschen, der es hergestellt hat. Vom Designer. Das macht den Preis. Viele Menschen tragen das dann auch in St. Tropez oder Mailand und nicht in Weimar. Hier in Weimar können sich die Menschen das nicht leisten und wo anders kommen manche nicht vom Lachen zum Schlafen. Mode ist wie eine Börse. Limitierung beeinflusst den Preis und den Handel.

Achtest du darauf, dass deine Mode bezahlbar ist?
Die muss bezahlbar sein. Es gibt aber auch Leute, die haben viel Geld und sagen, es ist mir zu billig. Viele kommen rein und sagen, das ist günstig. Viele sagen aber auch, das ist günstig, das kann sich jeder kaufen, das möchte ich nicht.

Wie denkst du über Menschen, die ‚normal‘ sind?
Für die ist es halt anders. Leute, die nicht im Mittelpunkt stehen wollen, kleiden sich wie ein Durchschnittsmensch. Ein Durchschnittsmensch ist jemand mit kaputter Jeanshose und T-Shirt. Wenn ich selber normal sein müsste, wäre das sehr traurig, da ich nur einmal lebe. Individualität ist mir sehr wichtig. Es ist wichtig etwas anderes in die Welt hineinzubringen. Mit Textil kann man da viel bewirken. Für mich ist es gang und gäbe, dass ich mich anders kleide als alle anderen. Ich falle so oder so auf auch wenn ich nur ein T-Shirt anhabe, da ich auch viele Tattoos habe. Ich muss auffallen als Designer, sonst bin ich keiner. Das ist auch Vermarktung.

Es gehört dazu richtig verrückte Sachen herzustellen

Boris Makarucha

Wie hat sich die Corona-Krise auf deine Arbeit ausgewirkt?
Ich habe gleich die Kollektion auf Masken umgestellt. Von September bis Mitte Oktober habe ich zudem einen Pop-Up Store neben dem DM aufgemacht. Touristen aus ganz Deutschland haben bei mir eingekauft. Neben Goethe und Schiller laufen in der Minute 30-100 Leute vorbei. Da reichen mir ein Prozent. Ich möchte nicht reich werden oder als reicher Mensch sterben. Ich möchte nur ein Denkmal zurücklassen und dann bin ich zufrieden. Es ist wichtig, dass ich meine Arbeit gut mache und ich kann keinen Chef gebrauchen, dem ich Danke sagen muss. Es ist wichtig, dass jeder Mensch frei ist. Stell dir vor, du musst bei einer Dame eine Spülmaschine einbauen, die dich vollmeckert. Du musst kämpfen, um dir den Traum zu erfüllen, der deine Erfüllung ist. Es scheitert bei vielen Menschen am Mut, am Durchhaltevermögen und überzogenen Vorstellungen. Viele Jahre war bei mir nicht so viel Geld da, wo ich tausende Euro hinlegen kann und sage, ich nehme mir jetzt mal einen Laden. Wenn drei Monate kein Geld reinkommt, macht man sich Vorwürfe, warum mache ich das hier alles. Liegt das an der Stadt? Ich bin hier geboren, habe aber immer gesagt, ich muss hier raus.  Weimar ist schuld. Aber nein, die Lage in der Stadt spielt eine wichtigere Rolle. Jetzt am Schloss, wo ich meinen Laden habe, war es mal toll. Das Schloss hat jetzt aber zu und darum muss ich Pop-Up Stores in der Innenstadt machen. Das Schöne an Weimar ist auch, man kann überall zu Fuß hinlaufen. Ich wohne in der Innenstadt und mein Atelier ist nur drei Minuten entfernt. Aber es ist auch ein Dorf, das darf man nicht vergessen!

Wie ist die Modewelt in einer Kleinstadt?
Anders! Seltener ist sie einfach. Ich bin hier mit wenig Leuten die Einzigen, die hier sowas anbieten. In Berlin sieht es komplett anders aus. Da sind alle überfordert. Deine eine schaut von den anderen ab und wollen Geld machen. Aber Geld spielt für mich keine Rolle. Geld ist relativ. Natürlich spielt Geld auch eine kleine Rolle mit, dass alle seine Abgaben zu zahlen sind.

Warum empfiehlst du das Residenz Café hier in Weimar?
Das Resi hat eine riesengroße Geschichte mit einer großen Prominenz, die hier ein und aus gegangen ist. Als Designer vergleicht man sich auch gerne mit Teilen der Prominenz und daher komme ich hier auch gerne her. Das erste Mal als ich hergekommen bin war ich 10 Jahre alt. Das Café hat eine Geschichte geschrieben, das können sich viele gar nicht vorstellen.  Wer das Café aktuell unterstützen will, kann herkommen und Gutscheine kaufen. Die Gastronomen kämpfen um ihr Überleben und wir müssen sie unbedingt unterstützen!

Wie würdest du dein Talent beschreiben?
Kreativität. Dinge anders zu machen als andere. Es muss halt immer alles anders sein.
Bei mir Zuhause sieht es zum Beispiel auch sehr wild aus. Ich habe Wände aus Styropor, da habe ich Figuren rausgeschnitzt und mit goldener Farbe angemalt. Das sieht aus wie in einem Bernsteinzimmer.

Hast du dich selber schon einmal in Schwierigkeit gebracht?
Natürlich gibt es auch Niederlagen. Viele Leute haben mir Steine in den Weg gelegt. Ich habe viel zu viel erlebt. Es gab viele Zeiten, wo ich die Nacht durchgearbeitet habe und tags geschlafen habe.
Alle Stars oder Künstler sind drogenabhängig. Das war ich gottseidank noch nie. Aber Cola süchtig!
Ich freue mich auch, wenn ich am Wochenende wieder in die Kneipe gehen kann.

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Hast du eine Lebenseinstellung?
Gesund bleiben. Einfach machen, egal was die anderen sagen. Mir treu bleiben!

Was würdest du machen, wenn du keine Mode machen würdest?
Es war eigentlich geplant, dass ich Raumausstatter werde. Aber das ist eine harte Nummer.

Was für ein Vorbild war dein Vater für dich?
Nicht unbedingt ein Vorbild. Der hat halt immer genäht an der Nähmaschine und ich fand die Nähmaschine ganz cool. Sonst ist würde ich sagen, ist eventuell Karl Lagerfeld ein Vorbild. Depeche Mode oder Bowie auch. Die beiden Musiker reden über viele Themen, die viele Menschen ansprechen. Verrückte Liebe halt einfach. Viele Menschen sind verletzt worden in der Liebe oder auf der Arbeit und Depeche Mode singt genau über das.

An was für schöne Momente erinnerst du dich?
Ich habe viele tolle Momente im Leben gehabt. Die ganzen Modeschauen, die ich schon gemacht habe und die tollen Menschen, die ich schon kennengelernt habe. Neben dem Nationaltheater auf der Bühne zu stehen und die gleiche Größe zu haben wie Goethe und Schiller. Goethe und Schiller haben mich aber sonst nie beschäftigt. Es gibt so viel mehr in Weimar. Eine einzigartige Stadt. Was für eine Kraft und Energie hier vorhanden ist, dass  ist unvergleichlich. Aber auch viele böse Geschichten!
In Weimar fehlt auf jeden Fall viel für die Jugend. Es wurde immer nur an die alten Leute gedacht. Die Klassikstiftung könnte auch ein paar Flächen zur Verfügung stellen, aber die wollen nichts hergeben. Da muss wieder ein Schwung reinkommen. Es müsste sich auch gefragt werden, wie würden sich Goethe und Schill heutzutage kleiden? Würde er mit dem Bentley durch Weimar fahren und jedes Wochenende eine Dame mit nachhause nehmen? Würde er klassische Musik komponieren? Oder würde er Skateboard auf dem Theaterplatz fahren? Es müsste ein Film mit Hollywood Stars in Weimar gedreht werden. Wir müssen lernen miteinander für Weimar zu kämpfen und nicht gegeneinander. Warum sollte sich nicht James Bond hier mal an Goethe und Schiller abseilen?



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