Joachim | Wien
Ich stehe seit drei Jahren jeden Tag um Punkt 06:00 Uhr auf, egal ob ich arbeite oder frei habe. Kein einziges Mal Snooze. Für mich persönlich möchte ich diesen Zustand erreichen, den man von Buddhisten kennt. Ich habe mir noch viele Ziele gesteckt und ich denke, dass mir diese Ziele genau das richtige Tätigkeitsfeld bieten, um glücklich zu sein mit dem, was ich tue. Und dass ich, selbst wenn ich keine Rente mehr bekomme, glücklich weiterarbeiten kann, bis ich tot umfalle. Wichtig ist mir, dass ich für eine Arbeit aufstehe, in der ich selbstbestimmt sein kann. Das kann ich vor allem, seitdem ich selbständig bin. Diese Eigenverantwortung zu lernen, ist aber ein sehr beängstigender und harter Schritt.
Ich bin in Salzburg groß geworden und habe leider einen Schicksalsschlag ertragen müssen, als meine Mutter starb, als ich 15 Jahre alt war. Ich kam dann in die Steiermark zu meinen Großeltern; einen Vater hatte ich leider keinen, dieser starb zwei Monate vor meiner Geburt. Mein Vater war Geologe und meine Mutter hat natürlich immer meinen Vater in mir gesehen. Matura, Studieren und fünf Sprachen fließend sprechen, das war ihr Wunschbild. Aber ich bin völlig anders als jeder sonst in meiner Familie. Eine Sache, die mich aber mit meinem Vater verbindet, ist meine Liebe zu Steinen, die sammle ich, seitdem ich klein bin. Mein Armband ist z.B. aus Korallen- Steinen und wirkt, Placebo hin oder her, stressreduzierend. Zurück zu meiner Jugend in der Steiermark; die war durchaus sehr schön. Ich bin in einer Skate- und Punk-Szene groß geworden. Da habe ich viel Gedankengut in diese Richtung mitgenommen, aber auch viele schöne philosophische Ansätze. Ich war nicht nur in dieser Szene, sondern auch in der Musiker-Szene. Und ja, was fällt einem da ein: „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“, aber auch Tattoos.


Mein erstes Tattoo war der Vitruvianische Mensch von Leonardo da Vinci zwischen den Schulterblättern. Den habe ich mir mit 18 beim Tätowierer um die Ecke, mit der Whiskyflasche in der Hand stechen lassen, heute undenkbar. Wie habe ich selbst angefangen zu tätowieren? Ich bin erst nach Wien gezogen, um Tontechnik zu studieren und mit großen Musikern auf Tournee zu gehen. Dann habe ich aber ein paar Jahre später auf MySpace- kann ich selbst kaum glauben- ein Bild von einem Mädchen kommentiert, dann kam eins zum anderen und bald darauf waren wir ein Paar. Sie war Tätowiererin und ich habe angefangen, alles um sie herum zu managen, dass sie sich auf die Kunst konzentrieren kann. Eines Tages hat ihr Chef meine Zeichnungen gesehen und mir angeboten, mich als Lehrling einzustellen. Da kurz zuvor eine Tour von Flyleafs abgesagt wurde, auf der ich als Monitor Techniker dabei gewesen wäre, habe ich zugesagt. Das war das Artline Studio in Salzburg. Und ja, heute, viele Jahre später, bin ich Geschäftsführer der Artline Niederlassung in Wien.

Woher kommt deine Inspiration?
Erst hatte ich eine Gaming Phase. Die führte dann zum Anime, mit Filmen wie Vampire Hunter D oder die Trilogie von den Hakkenden. Danach kamen Serien wie Dragonball, Pokémon, Digimon, Yu-Gi-Oh! und so weiter. Ich habe wirklich immer Zeichentrick geschaut und Computer gespielt – ich war immer in der Fantasie Bubble drinnen. Ich liebe alles was Science Fiction und alternative Realitäten anbelangt. Keine Wirklichkeitsflucht, eher eine Prothese für mein persönliches Denken, die Dinge anders zu sehen. Die ‚wirkliche‘ Realität ist deshalb natürlich nicht langweilig. Die Realität ist genau das, in der ich diese Dinge, die ich in den Alternativrealitäten lerne, umsetzen kann. Ich entwickle meine ganze kreative Fantasie und mein Wissen aus dieser fiktiven Welt heraus und verwende sie, um meinen Job in der realen Welt besser machen zu können.
Hast du ein Lieblings-Tattoo?
Der kleine Hammy aus Ab durch die Hecke, aber der ist leider bald weg, denn ich möchte den ganzen Arm schwarz haben, weshalb ich mich leider für einen Arm entscheiden musste. Und auf dem anderen sind Rocket & Groot. Und nein, die würde ich niemals opfern.
Den schwarzen Arm möchte ich aus ästhetischen Gründen. Das Schwarz wird jetzt immer weiter rauf wandern und das Tattoo von Bellatrix la Strange umschließen, so als ob sie aus dem Todesser Schatten herauskommen würde und dieser Avada Kedavra Zauberspruch wirken würde. Vielleicht kommt noch zur Auflockerung irgendwo eine kleine Wellenform rein und in die Schulter ein Mandala, das sich ausbreitet



Wie kam es zum Hammy Tattoo?
„ Aber ich mag doch den Keks“ genau deswegen eigentlich.
Erstens fand ich die Figur so cool und wollte sie tätowiert haben. Zweitens hat ihn meine Ex-Freundin tätowiert und es war eines ihrer ersten Farbtattoos. Drittens habe ich zu der Zeit Antibiotika genommen (niemals Tattoos stechen lassen, während man Antibiotika nimmt) und „scheiße, hat das weh getan“. Die schlimmsten dreieinhalb Stunden meines Lebens.
Zum Kill Tattoo kam es, da ich Gitarre spiele und links greife, daher war das die logische Wahl für Killer Riffs.
Mein most meaningful Tattoo ist “der Letzte macht das Licht aus“. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Mensch so lange mit der Atomkraft übertreiben wird, bis irgendwas passiert und dann haben wir die berühmten letzten Worte „Oh mein Gott, was haben wir getan? „Der Letzte macht das Licht aus“. Deswegen die Gasmaske und die Atomkraftwerke. Ich bin einfach der Meinung, dass das unser Untergang sein wird.



Sind Tattoos öffentlich oder privat?
Im Grunde sind Tattoos etwas Öffentliches. Es ist Schmuck, den man sichtbar nach außen trägt. Es sei denn, ich entscheide mich, mir Tattoos in der Bikinizone zu tätowieren. Tattoos sind privat, wenn es darum geht, was man sich stechen lässt, aber öffentlich, wenn es um die Zurschaustellung geht.
Haben Tattoos noch etwas Rebellisches?
Das ist eigentlich völliger Schwachsinn, da Tätowieren etwas ist, das uns weltweit seit Jahrtausenden prägt. Hier im europäischen Raum fanden Tätowierungen erst durch die Nationalsozialisten einen schlechten Anklang.
